Aus dem fantastischen Buch "Pragmatisches Denken und Lernen" von Andy Hunt

Nach rund 2 Jahren Pause hab ich nun endlich “Pragmatisches Denken und Lernen” zuende gelesen. Im Blog-Post möchte ich einige für mich wesentliche und Aha-Erlebnis-produzierende Sachen anschneiden und natürlich Lust machen bzw. jedem Kreativen ans Herz legen das Buch zu lesen. Andy Hunt schafft es mit einfachen Worten den Bogen über alle fürs technisch, kreative bzw. wissenschaftliche Arbeiten wichtigen Verhaltenweisen zu spannen. Umfassend aber pragmatisch wird erklärt wie beim Denken und Lernen der Verstand und das Gehirn funktioniert und wie man es wirksam beeinflussen kann. Das Buch selbst wurde in 2008 im englischen Original veröffentlicht, hat aber bis jetzt nichts an seiner Bedeutung und Relevanz eingebüßt.

Wenn ich Programmieren 3 Bücher empfehle, dann diese und in genau der Reihenfolge:

  1. “Der Pragmatische Programmierer” Amazon
  2. “Pragmatisches Denken und Lernen” Amazon
  3. “Clean Code” Amazon

Wenn man diese gelesen und begriffen hat, gepaart mit Berufserfahrung für den Realitätsabgleich, ergibt sich daraus eine sehr tiefe und beruhigen Resilienz im Job.

Wem nicht interessiert warum das Fertiglesen bei mir so lange gedauert hat mag diesen Absatz gern überspringen. In ca. 2010 habe ich “Der Pragmatische Programmierer” von Andy Hunt gelesen. Ich weiß nicht mehr wie oder wer mich auf das Buch gebracht hat; vielleicht habe ich es bei Amazon entdeckt. Ziemlich sicher hat mich aber kein damaliger Kollege drauf gebracht, da ich damals noch in diesbezüglich eher uninspiritativer Umgebung gearbeitet habe. Aber um das Buch soll es jetzt gar nicht gehen. Sondern um ein anderes Buch aus dem Pragmatic Bookshelf. In ca. 2013 oder 2014 habe ich auf der Suche nach neuer Inspiration geschaut was er noch so veröffentlicht hat und mir sein Nachfolgewerk “Pragmatisches Denken und Lernen” besorgen lassen und es angefangen zu lesen. Irgendwie bin ich seinerzeit nur bis ca. die Hälfte des Buches gekommen und irgendwo im Kapitel “Ihren Verstand debuggen” hängengeblieben als andere wichtigere Dinge dazwischenkamen. Im diesjährigen Urlaub hab ich das nun nachgeholt und ein paar Sachen herausgeschrieben.

Aber nun einige geraffte Artefakte aus dem Inhalt.

aus Kap. 2: Vom Anfänger zum Experten

Dreyfus-Modell:

  1. Anfänger benötigen Rezepte
    • können mit kontextfreien Regeln arbeiten
    • benötigen genauere Regeln für Details -> geht nur bis zu einer praktikablen Grenze -> unendliche Regression
    • ab einen gewissen Punkt muss man mit expliziten Regel aufhören
  2. Fortgeschrittene sind nicht am Gesamtbild interessiert
    • wollen schnell an Infos gelangen, sehr zielorientiert,
    • Grundlagen sind nicht so wichtig, der größere Zusammenhang ist irrelevant
  3. Kompetente können bekannte Probleme lösen
    • zeigen Inititative, sind findig
    • sind super Team-Mitglieder, können Anfänger anleiten und nerven die Experten nicht übermäßig häufig
    • die Fähigkeit zur zur Reflexion und Selbstkorrektur ist noch nicht ausgeprägt genug
  4. Gewandte Praktizierende sind in der Lage zur Selbstkorrektur
    • verstehen Leitsätze und wenden diese an; (DRY, KISS, YAGNI, Broken-Window)
    • Leitsätze sind grundlegende Wahrheiten in Spruchform, die sich auf eine vorhandene Situation anwenden lassen
    • Leitsätze sind keine Rezepte, müssen im Kontext angewandt werden
  5. Experten arbeiten aus der Intuition heraus
    • Regeln ruinieren Experten
    • können Anfänger kaum helfen, denn wie erklärt man woher Intuition und Bauchgefühl kommen?

aus Kap. 3: Ihr Gehirn

  • Dual-Prozessor-Modus: L-Modus + R-Modus
  • Der R-Modus sieht den Wald, der L-Modus die Bäume

aus Kap. 4: Nutzen Sie Ihren ganzen Verstand

  • Fließender Übergang von R-Modus zum L-Modus
  • Pair programming

aus Kap. 5: Ihren Verstand debuggen

  • kognitive Vorlieben
  • Versagen beim Vorsagen
  • Generationsverwandtschaft: die Kollegin/der Kollege ist ein paar Jahr(zehnte) älter/jünge und verhält sich komisch
  • Eidechsenlogik, Nachäffen

Generationenverwandschaft: (Achtung, bezieht sich stark auf USA und deren Historie)

  • GI-Generation (1901-1924)
    • kämpften heldenhaft im Zweiten Weltkrieg
    • Militärmetaphern wie Befehle und Lenken in der Wirtschaft haben hier ihren Ursprung
  • Stille Generation (1925-1942): Konformisten im grauen Flanellanzug
    • bauten Justizsystem deutlich aus, Rechtsstaatlichkeit,
    • aber nicht entschlussfreudiges Handeln
  • Babyboomer-Generation (1943-1960): Moralistische Schiedsrichter
    • sorgen für Anstieg der Kriminalitätsrate und Drogenmißbrauches, und riskanter Handlungen generell
    • sehen sich als Schiedsrichter nationaler Werte
    • ist weniger am Ergebnis, mehr an der Vorgehensweise interessiert
    • Moralisieren, haben hochwichtige Wertvorstellungen
  • Generation X (1961-1981): Freie Agenten
    • “aufgezogen von Wölfen”
    • tiefer Argwohn gegenüber Institutionen
    • zutiefst individualistisch; geben einfach auf und ziehen weiter sobald es Probleme bei der Arbeit gibt
    • weigern sich in bestimmte Schubladen gesteckt zu werden
    • können von anderen Generationen als undiszipliniert angesehen werden, “spielen nicht nach Regeln”
    • sind ziemlich pragmatisch, arbeiten unabhängig von Ideologie od. Herangehensweise für einen positiven Ausgang
  • Milleniumsgeneration / Millenials (1982-2005): Loyal, nicht unternehmerisch denkend
    • stärkere teamorientierte Arbeit als in Vorgängergeneration
    • Rückgang an riskanten Verhalten
    • deutlich weniger innovationsfreudige Herangehensweise
    • sind Unternehmen gegenüber loyal und wenger unternehmerisch denkend veranlagt
    • erwarten dass Behörden Probleme lösen; machen sich nicht auf die Welt zu retten
  • Homeland-Generation (2005-..): (damals) gerade erst geboren; die Hälfte dieser Generation wird Milleniumseltern haben

Spannend: heute arbeiten viele Generationen zusammen zur gleichen Zeit am Arbeitsplatz, interagieren miteinander, kommen miteinander aus - und manchmal nicht.

Vier Archetypen:

  • Prophet: Vision, Werte
  • Nomade: Freiheit, Überleben, Ehrgefühl
  • Held: Gemeinschaft, Wohlstand
  • Künstler: Pluralismus, Sachverstand, Rechtsstaatlichkeit

Archetypen bringen gegenläufige Archetypen hervor

Generationelle Archetypen nach How/Strauss: (das Bild im Buch ist plakativer..)

  • G.I. -> Held
  • Stille Gen. -> Künstler
  • Babyboom -> Prophet
  • Gen. X -> Nomade
  • Millenial -> Held
  • Homeland -> Künstler
  • ?? -> Prophet

aus Kap. 6: Bewusstes Lernen

  • SMART-Methode: Spezifisch, Messbar, Angemessen, Relevant, Terminiert
  • Pragmatic Investment Plan (PIP)
  • bewußt Lesen mit der SQ3R-Methode
  • Erkenntnisse per Mind-Map visualisieren, stufenweise ergänzen

Mind-Map zu Mindmaps

Auch wenn diese Mindmap hier steht, entstand sie doch beim Buch lesen als letztes und sieht daher eher wie eine Mindmap aus.

Transcript aus dem Bild:

  • Technik
    • zweidimensionale ganzheitliche organische Gliederung
    • hierarchisch
    • keine freien Enden
  • positive Effekte
    • Platz für großartige Ideen die gerade nicht reinpassen
    • fördert Kreativität
    • räumliche Anhaltspunkte
    • Farben und Symbole bereichern die Darstellung
    • kann nach und nach ergänzt werden
    • bei neuen Erkentnissen -> “Wohin gehört das?” klären
  • Bedingungen
    • sind schemafrei
    • keine Hierarchie / lineare Gliederung
  • Gestaltung
    • Pfeile, Symbole -> Welche Information kann damit hinzugefügt werden?
    • jede Ecke vom Papier nutzen
    • gestrichelte Linien für lose, ggf. noch unklare Verbindungen
    • Strichstärke zeigt Stärke der Verbindung
    • Mindmap komplett neu zeichnen für Neuausrichtung
  • Problem -> diese Mindmap (Bild) ist zu klein
  • sind gut für Sondierungen
  • kann nach und nach wachsen
  • nicht zu früh neu zeichnen

aus Kap. 7: Erfahrungen sammeln

  • Spielen, um zu Lernen
  • Fehlschläge in die Praxis integrieren
  • erkundungsfreundliches Umfeld schaffen
  • Druck tötet logisches Denken
  • Fehlschläge zulassen
  • Lernen wie ein Experte

Mindmap zum Kapitel Erfahrungen sammeln

Säulen vom LERNEN:

  • Achtsamkeit: “Bemühung schlägt fehl, Achtsamkeit kuriert”
  • Spielen:
  • Erfolg: Schwierigkeit simulieren, bereitet Geist auf künftige reale Situation vor
  • Fehlschläge:
    • einplanen, sind okay
    • hilft Druck zu mindern
    • Weg zum Expertentums
    • Teil der Praxis

Mustererkennung + Filter + implizites Wissen => Intuition -> beginnendes Expertenverhalten

aus Kap. 8: Den Fokus lenken

  • Steigern Sie Ihre Konzentration und Aufmerksamkeit -> Achtsamkeit
  • Aufmerksamkeitsdefizit
  • entspannte, konzentrierte Aufmerksamkeit
  • Konzentration durch Entspannung
  • Wissen verwalten: Exokortex, z.B. per Wiki
  • aktuellen Kontext optimal einrichten
  • Kontextwechsel und die Folgen
  • Vermeiden von Ablenkungen
  • Aufgaben effizient organisieren und abarbeiten
  • Bewußter Umgang mit Unterbrechungen, Email-Nutzung zügeln
  • kontextfreundliche Pausen, den aktuellen “Stack” sichern, z.B. aktuellen Arbeitsstand als Notiz an Ticket schreiben
  • für ausreichend großen Kontext und aufgabenorientierten Fokus sorgen

Mindmap zum Kapitel Fokus lenken

FOKUS

  • richtige Infos zur rechten Zeit
  • keine irrelevanten Details
  • subtile Anhaltspunkte

Säulen von FOKUS:

  • Kontext: Dinge auf die man im Moment fokussiert ist
  • Multitasking: mehrere Dinge mit vershiedenen Graden an Zerstreutheit “erledigen”
  • Kontext vs. Multitasking -> bewußten Wechsel anstreben
  • Information (Rohdaten mit Kontext) + Bedeutung = Wissen
    • verwalten per “Exokortex”, z.B. Wiki od. Blog
  • Konzentration + Aufmerksamkeit
    • wird mit dem Alter besser
    • statt “keine Zeit” besser “nicht genügend Bandbreite” (Aufmerksamkeitsressource)
    • durch Entspannung -> Gedanken im R-Modus “marinieren” lassen; funktioniert nur wenn Daten vorhanden sind
    • Probleme? Meditieren lernen (z.B. nach Vipassana-Methode)

Dreier-Regel fürs “marinieren”: hat man für ein Problem schon

  • 3 mögliche Lösungen und
  • 3 mögliche Fehlschläge
  • falls nein, dann Gehirn weiter indirekt arbeiten lassen

Fokus lenken -> Projekt-Regeln aufstellen -> Wann sind Unterbrechungen erlaubt?

Kontextwechsel vermeiden ->

  • u.a. technisch per Virtuelle Desktops
  • nach Thema gruppiert, z.B. Kommunikation (Email, Chat), Entwicklung, Dokumentation, Recherche (Browser, Wiki), Musik/Ablenkung (anderer Browser)

aus Kap. 9: Jenseits des Expertentums

  • Wirksame Veränderung
  • Was steht morgen früh an?

Mindmap zum Kapitel Expertentum

Veränderung:

  • Verstand: möchte lernen
  • Gehirn: möchte schnell aufräumen
    • nur emotional aufgeladene Inhalte zählen,
    • und Überlebens-relevantes
  • kleine nächste Schritte
  • Gewohnheiten
    • = alte neuronale Autobahnen
    • bleiben ewig erhalten
    • fällt man leicht zurück, ist nicht schlimm
    • Untätigkeit = böse, Fehler = okay, keine Angst
    • Neues braucht Zeit
    • Überzeugung ist Wirklichkeit

“Beherztheit trägt Genie, Kraft und Magie in sich. Fangt jetzt an!”

nach dem Expertentum liegt der Geist des Anfängers

  • Neugierde eines Kindes
  • lernen ohne vorgefertigte Meinung/Urteil
  • Dinge betrachten wie sie sind
  • Reaktion auf neue Techniken, neue Ideen, neue Dinge sich selbst bewußt machen (!)
  • = Selbstbewußt weiter lernen -> Sei achtsam

Fazit: Auf dem richtigen Weg

Interessanterweise habe ich mich selbst in den vergangene 2 Jahren ja auch weiterentwickelt und lese Bücher nunmehr bewußter, d.h. ich markiere Gelb, streiche an, mache mir Notizen, lese Abschnitte mehrmals wenn ich etwas noch nicht verstanden habe. Da ich seit nunmehr über anderthalb Jahren diesen Blog pflege und beruflich ein Team leite, lese ich Sachbücher schon mit den Hintergedanken der Weitergabe. Begriffen ist erst wenn man andere darüber Lehren kann. Hier schließt sich der Kreis ein wenig, denn über diese Verhaltensweisen wird im letzten Kapitel eingegangen und auch das bloggen empfohlen.